Montag, 8. Juni 2015

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Das Wichtigste zuerst. Ja, dieser Text ist Klausurrelevant und ja, ich lasse gleich einen Zettel rumgehen, auf dem Ihr eure Anwesenheit eintragen könnt. Nachdem das nun geklärt wäre, liebe Studenten, ich hasse euch. Ich hasse euch, weil Ihr immer alle wissen lassen müsst, welche Hausarbeit ihr nach diesem Kinoabend / diesem Poetry Slam / dieser witzig gemeinten Ü30-Party noch schreiben müsst. Studenten erzählen dir unweigerlich von Ihren Hausarbeiten,
wie Großmütter von ihren Hüftknochen.

Hier Abschrieb, dort Abrieb, nur mit dem Unterschied, dass meine Oma mir, sollte ich jemals beschließen nachzufragen, wirklich was über ihre Hüftknochen sagen könnte! Und wo wir gerade von
Ü30-Partys reden. Aus ironischen Gründen ein solche zu besuchen, ist wie auf einem Eiswagen in ein Weightwatchers-Meeting geritten zu kommen. „Ich weiß, ich weiß...“, sagt Ihr dann und lasst das Glöckchen bimmeln.
„Technisch gesehen gehöre ich hier nicht hin, aber chill mal die Base, Dude!“ Ich hasse euch, weil Ihr Dinge sagt wie „Chill mal die Base, Dude!“. Außer die Germanisten. Die Sagen: „Kühl mal das Fundament, Kumpan!“ 


Ich hasse euch, weil ihr den Mythos eurer eigenen und edlen Mittellosigkeit kultiviert, um dann „Fight-Capitalism“-Sticker auf eure Macbooks zu kleben. Als ich noch Student war, bekam ich kein Bafög, weil meine Eltern zu reich waren! Habe ich mich beschwert? Ja! Natürlich! Weil es auch als Student ein gewisses Bild aufrecht zu erhalten gilt.
Die heilige Dreifaltigkeit der Hörsaal-Gespräche lautet: Das liebe Geld, die bereits erwähnte Hausarbeit und natürlich, das Essen in der Mensa. Ich hatte keine vegane Alternative aus regionalem Anbau! In meiner Mensa gab es immer nur zwei Sachen. Holz zum Lutschen oder einen Blick auf die in Formaldehyt eingelegten Missbildungen der medizinischen Fakultät! Da hatte man wochenlang keinen Hunger mehr! 


Ich hasse euch, weil Ihr euer Wissen als Zwischenfrage formuliert, um intelligenter zu wirken. Ich hasse euch so sehr, weil ihr euch mit Dingen beschäftigen dürft, die ihr euch ausgesucht habt. Dinge tun zu dürfen, die man sich ausgesucht hat, ist ein unfassbares Privileg, dass Ihr erst dann schätzen lernen werdet, wenn ihr in einem Großraumbüro aus dem Fenster seht und es immer noch halb 11 Uhr vormittags ist. 

Ich hasse euch, weil Ihr schon mit 15 die Studienkataloge mit der Liste der bestbezahlten Berufe abgeglichen habt.
Weil Ihr euren Studiengang im Lichte des Neumonds ausgependelt habt und mir dann kurz vor dem Abbruch eurer Bachelorthesis zum Thema Blumenbinden im Kontext der Historie erklären wollt, wichtig sei ja nicht das Ziel, sondern die Erfahrungen, die man auf der Reise dahin macht.
Ich hasse euch, weil Ihr euch noch nie für irgendwas interessiert habt und jetzt folgerichtig BWL studiert. Zeigt ihn mir, den jungen Menschen, der am Kaffeetisch euphorisch ausruft: „Mutter! Das ist es! Tabellenkalkulation! Schmier mir Schnittchen in die Haare, ich will Tabellen kalkulieren und meinen Lebtag lang sonst gar nichts mehr!“ Und wenn ihr diese arme Sau gefunden habt, macht der Mutter Vorwürfe.

Ich selbst wollte Kunst machen. Wie alle Menschen, die eigentlich Kunst hatten machen wollen habe ich dann Design studiert, weil das wie Kunst mit Gehalt klingt, dabei in Wirklichkeit keins von beidem ist. Jetzt bin ich Poetry Slammer. Meine Eltern sind stolz auf mich.
 Ich hasse euch, weil Ihr immer nur mit anderen Studenten rumhängt. „Chill mal die Base, Dude.“, sagt Ihr dann und verweist auf den einen Lehrstellenfreund, den Ihr alle habt. „Ich hab ja nichts gegen Lehrlinge, aber...“, sagt ihr und komplettiert diese Erklärung dann mit einer wirren Kette von Wittgenstein-Zitaten und zusammenkopierten Wikipedia-Artikeln zum Thema Bildungsgesellschaft. Wahrscheinlich sagt Ihr in Wirklichkeit gar nichts von dem ganzen Quark, den ich euch hier frustgemartert andichte, nur woher soll ich das wissen? Ihr sprecht ja nicht mit uns alten Säcken.
Ich hasse euch, weil Ihr jünger seid als ich. Eigentlich nur deswegen, reicht aber. Ich hasse euch nicht, weil ihr euch sorglos betrinkt, sondern, weil Ihr das tun könnt ohne am Morgen danach versehentlich eine Pflegestufe aufzusteigen. 


Ich hasse euch, weil ihr die Möglichkeit habt, so viele Dinge, zum ersten Mal zu tun. Zum ersten Mal das neue WG-Zimmer „Zuhause“ nennen. Zum ersten Mal in eure neue Lieblingskneipe in eurer neuen Lieblingsstadt gehen.
Zum ersten Mal die bunte Hose tragen, die ihr schon immer tragen wolltet, aber aus Angst vor den fragenden Blicken der Mitabiturienten zu tragen euch nicht getraut habt. Zum ersten Mal ein bisschen der Mensch sein, der ihr immer werden wolltet und zum ersten Mal spüren, dass Ihr diesem Ideal vielleicht nie näher als jetzt kommen werdet.
Ich hasse euch, weil Ihr mich neidisch macht. Ich neide euch die Ernsthaftigkeit, mit der Ihr euch den seltsamsten Themen hingebt. Ich neide euch das Gefühl der erste Mensch zu sein, der jemals nach einer durchgemachten Nacht den Sonnenaufgang von einem Hügel aus betrachtet. Ich neide euch die Leichtigkeit der Erkenntnis und die Schwere kleiner Momente. Ich neide euch die Gewissheit, mit der Ihr Schimpfreden wie diese hier an euch abprallen lasst. Für all das, Studenten, hasse ich euch, aber lasst euch davon nicht aufhalten.

3 Kommentare:

  1. Die lieben kleinen und großen Bachelor- and Master-Studis. Was sie alles können, was sie alles lernen.... ach Moment, nein, das bleibt eher außen vor. Also das Lernen durch das Studium. Ohne Trichter läuft da nix, aber den kann man ja auch missbrauchen, von daher: links, rechts oder oben rein, unten ... raus oder so. ^^

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  2. Ekelhaft diese Studenten. Trifft alles zu egal wo man sie sieht sie reden nur von Klausuren Studium feiern oder ...... weil sie ja sonst über nichts reden können die Welt interessiert die nicht. Und dann aber mittags um 2 auf dem Boden irgendwo sitzen und den billigsten Wein aus der Flasche saufen das ist die Zukunft Deutschlands. Na prost

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